Wann: 11. April, 18.00 Uhr
Wo: Gedenkstätte Amthordurchgang
Die Landesheilanstalten in Stadtroda bildeten das Zentrum der „Euthanasie“-Verbrechen in Thüringen während der Zeit des Nationalsozialismus. Wie in anderen psychiatrischen Einrichtungen des deutschen Machtbereiches, hatten sich auch hier Ärztinnen und Ärzte, Pfleger und Schwestern an der systematischen Ermordung psychisch kranker und geistig behinderter Menschen beteiligt, die als vermeintlich „minderwertige Ballastexistenzen“ galten. Eine Auseinandersetzung mit den Medizinverbrechen in Stadtroda war jedoch lange Zeit ausgeblieben. Zwar hatte es nach Kriegsende erste Ermittlungen gegeben. Auf Anweisung der Oberstaatsanwaltschaft in Weimar kamen diese aber Anfang September 1948 zum Erliegen, angeblich aus Mangel an Beweisen. Fast zwei Jahrzehnte später gerieten die „Euthanasie“-Morde erneut in den Blick. Nun ermittelte das Ministerium für Staatssicherheit. Schnell zeigte sich das ganze Ausmaß der Verbrechen. Doch anstatt ein Verfahren einzuleiten, entschieden die Verantwortlichen des MfS, den Operativen Vorgang zu schließen, heimlich alle Dokumente nach Ost-Berlin abzutransportieren und den Mantel des Schweigens über die Angelegenheit auszubreiten. Der Grund dafür war wenig überraschend: Da „Beschuldigte aus der DDR in höheren Positionen des Gesundheitswesens“ arbeiteten, so hieß es in der internen Einstellungsanweisung, „könnte bei Auswertung ein unseren gesellschaftlichen Verhältnissen widersprechendes Ergebnis erreicht werden.“ Letztlich stand der Antifaschismus-Mythos der DDR in Gefahr. Erst nach dem Untergang des SED-Regimes setzte eine kritische Auseinandersetzung mit den NS-Krankenmorden in Stadtroda ein, teilweise begleitet von hitzigen Diskussionen.
All diese Entwicklungen: die „Euthanasie“-Verbrechen in Stadtroda während der Zeit des Nationalsozialismus, die ersten Ermittlungen nach Kriegsende, den Operativ-Vorgang des Ministeriums für Staatssicherheit Mitte der 1960er Jahre und die Debatten nach dem Ende der DDR zeichnet der Vortrag nach, jeweils eingebettet in ihre zeitspezifischen Kontexte.
Dr. Martin Kiechle ist seit 2018 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Der Eintritt ist kostenfrei.